Der Rumpfträger des Pferdes

Tipps und Training für den Rumpfträger:  (Artikel 7 von Thies Böttcher)


Bei der medialen Überpräsenz des Themas Tensegrity, Rumpfträger und co. ist es nicht verwunderlich, dass das Netz mittlerweile überschwemmt wird von Tipps und Trainingsratschlägen. Leider zeigen viele Ratschläge, dass das ganze Prinzip in der Tiefe noch nicht ausreichend verstanden wurde. Dies verwundert nicht- das Thema ist sehr komplex und selbst für mich gibt es nach gut 15 Jahren Training und Beschäftigung mit dem Thema Rumpfträger ständig neue Erkenntnisse und oft war es schlicht die Erfahrung, die gezeigt hat was langfristig funktioniert und was nicht.

 

Die richtigen Voraussetzungen:

Bevor mach versucht das Training zu optimieren mach es Sinn, das Umfeld und die Situation des Pferdes zu verbessern.


Sehr wichtig ist die richtige "Unterbringung". Pferde benötigen Platz und genügend Zeit um sich zu bewegen. Wer 20 Stunden in der Box steht, bekommt ein Problem. Dies gilt allerdings auch, wenn das Pferd 20 Stunden an der Raufe steht. Sie müssen die Möglichkeit haben, auf dem Gelände auch anständig traben und galoppieren zu können und einen Anreiz, dies auch zu tun. Genauso wichtig ist das ausreichende Liegen- dies kann durch fehlende Liegeplätze und die Herdenstruktur durchaus gestört sein. Offenställe können hier oft ein Problem darstellen. In vielen Anlagen ist es matschig, es gibt zu wenig Liegeflächen und der Raum ist zu begrenzt- abgesehen von teils kaum vorhandenen Trainingsbedingungen. Ein Pferd als Dauergast an der Raufe bewegt sich auch kaum mehr als in der Box.

 

Übergewicht ist ein weiterer Punkt. Überfettete Pferde sind kaum zu trainieren, stehen mehr  und das Gewicht belastet die Strukturen noch weiter. Stark adipöse Pferde sollten erst einmal sinnvoll auf ein annehmbares Gewicht gebracht werden, bevor man an ein spezielles Rumpfträgertraining denkt.

 

Die Hufsituation ist ebenso zu berücksichtigen. Ein Pferd mit schmerzenden Füßen wird sich von diesen auch nicht abdrücken wollen bzw. der Abdruck wird sensomotorisch gehemmt genauso wie die Hinterhandaktivität. Oft ist ein temporärer Hufschutz in Form von Hufschuhen oder Klebebeschlägen ratsam, damit ein Pferd überhaupt trainierbar wird. Das Training wird dann aber dazu führen, dass sich die Hufsituation nachhaltig verbessert.

 

Ein weiterer Klassiker ist ein unpassender Sattel, oft nicht im Bereich des Kopfeisens, sondern ein Stück weiter hinten in der sogenannten Taillierung. Dies ist natürlich nur relevant, wenn das Pferd noch in der Lage ist geritten zu werden.

 

All diese Notwendigkeiten haben den Vorteil, dass man keinerlei zusätzliche Trainingskompetenz benötigt. Allerdings sind sie oft nicht leicht umzusetzen. Eine gute Unterbringung, Hufbearbeiter und einen guten Sattler zu bekommen ist schon ein kleines Kunststück. Es lohnt sich aber, um jeder Prozentpunkt "Verbesserung" zu kämpfen. Kein Training der Welt und kein Therapeut kann ausgleichen, wenn die oben genannten Dinge zu sehr im Argen liegen. Da hilft es dann auch nicht, Trainer und/ oder Therapeut ständig zu wechseln.

Anti-Trainingstipps:

Die schnellste Verbesserung im Training ohne zusätzliche Fähigkeiten erzielt man immer, wenn schädigende Dinge weggelassen werden. Klingt etwas zynisch, funktioniert aber sehr gut. Im tensegraler Denkweise bedeutet dies: Alles weglassen, was auf "hebelbasierter biomechanischer Denkweise basiert. Konkret gehören dazu  u. a. folgende Dinge:

  • kein zu weites Untertreten, um die Vorhand anzuheben
  • Kein Zusammenschieben des Pferdes zwischen Hand und Bein
  • Kein Ausbinden, um eine Haltung zu erzwingen
  • Verzichtet auf zu viele seitliche Verschiebungen und seitliche Halsbiegungen, wenn es euer Ziel ist, das tensegrale System aufzuspannen.
  • Verzichtet darauf, euer Pferd Runde um Runde eintönig in einer Gangart im Kreis laufen zu lassen. Sei es auf dem Longierzirkel oder ganze Bahn auf dem Platz.
  • Hört auf, nur auf die Hangbeinphase zu achten. Biotensegrity benötigt die Stemmphase, also den Abdruck vom Boden.
  • Vermeidet zu tiefen Boden, wo das Pferd sich nicht abdrücken kann.

Wenn ihr die Vorartikel gelesen habt wisst ihr, warum ich die oben genannten Punkte aufgeführt habe. Diese Empfehlungen gelten für alle Pferde, unabhängig vom Zustand des Rumpfträgers.

 

Reduzierung der Belastung:

Wie ihr bereits gelernt habt. führt ein dysfunktionaler Rumpfträger zu Überlastungen in anderen Bereichen. Vor allem in Rücken und Vorhand. Es ist ein absoluter Irrglaube, dass man solch einen Rumpfträger durch eine vermehrte Belastung trainieren könnte. Dies ist auch ein Grund, warum ich den Begriff Rumpfträgerschwäche nicht mag. Man denkt zu schnell daran, die schwache Struktur durch Mehrtraining zu stärken. Trainieren im Sinne von Belastung und folgender Anpassung funktioniert nur bei gesunden Strukturen. Dies ist also erst angesagt, wenn der Rumpfträger zumindest teilweise in Funktion kommt. Die folgenden Tipps gelten also für Pferde mit dysfunktionalem Rumpfträger.

  • Verzichtet auf Springtraining
  • Kein Hangtraining ( vor allem mit dem völligem Wahnsinn von Rückwärts den Berg hoch)
  • Kein Cavaletti-Training im Trab oder Galopp
  • Reduzierung der Trabsequenzen, lieber gute Schrittarbeit (siehe auch die Metronom-Challenge)
  • kein stundenlanges "sich im Schritt Tragen lassen" im Gelände. Geht lieber spazieren und joggen mit dem Pferd.
  • Haltet Reiteinheiten eher kurz, das Warmmachen des Pferdes geht super, wenn man es 10 min führt und dann erst aufsteigt.
  • Keine Turniere
  • Kein Training nach Lust und Laune. Solche Pferde benötigen ein Plan mit Trainingstagen und Regenerationstagen.

Macht euch bitte noch einmal klar: Ein Pferd mit dysfunktionalem Rumpfträger ist wenig belastbar und ein Reha-Fall. Sie stehen uns in diesem Zustand nicht für unser Hobby Reiten zur Verfügung. Es ist unsere Aufgabe, die Pferde wieder aufzubauen und sie fit zu machen. Alles andere geht auf Kosten der Pferdegesundheit.

 

Die aufgeführten Punkte gelten natürlich nur, wenn der Rumpfträger wirklich dysfunktional ist. Häufig ist er in Ordnung, durch die Reitweise oder Inaktivität lediglich stumm geschaltet. Die eigentliche Kunst besteht in der korrekten Einschätzung der Situation als Grundlage für einen entsprechenden Trainingsplan.

 

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