Der Begriff der craniosacralen Therapie leitet sich ab von den lateinischen Wörtern cranium (Schädel) und sacrum (Kreuzbein), welche in der CS-Therapie als Funktionseinheit gesehen werden, und in Wechselwirkung mit dem Nerven-, Lymph-, sowie Gefäßystem als auch mit dem Atmungs-, Muskel- und Skelettsystem stehen.
Dr. Sutherland, ein Schüler vom Gründer der Osteopathie Andrew Taylor Still und selbst Osteopath und Arzt, entwickelte auf Basis der Osteopathie die craniosacrale Osteopathie. Er entdeckte um 1900, dass sich die Schädelknochen in einem Rhythmus bewegen und maß dieser Bewegung einen hohen Stellenwert zu. Neben des Atemrhythmus und der Herzschlag gibt es eine dritte Bewegung, die er primäre Respiration nannte. Dieser primäre Puls oder Atemrhythmus (PAM) war ebenso in der Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit als auch im Becken fühlbar. Den Begriff der craniosacralen Therapie nutzte erstmalig der Forscher, Osteopath und Arzt/ Chirurg John E. Upledger in den 1970ern. Er verfeinerte die Methode und machte sie bekannter. Seit 1985 existiert das amerikanische Upleder Institut in Florida. Das Deutsche Institut wurde 1990 gegründet.
Der PAM entsteht durch die Bildung der Gehirn- bzw. Rückenmarksflüssigkeit in denHirnventrikeln. Die Zunahme sorgt für einen Druckanstieg und dehnt die Schädelknochen minimal auseinander. Sind
die Grenzen erreicht, so kommt die Produktion zum Stillstand und der Liquor fließt ins Rückenmark ab (streng genommen in den Duraschlauch). Die Schädelknochen nähern sich wieder an.
Bewegungseinschränkungen im Schädelbereich stören also diesen PAM und haben Auswirkungen auf den Gesamtorganismus.
Eine Behandlungs zielt also darauf ab, die Beweglichkeit der Schädelknochen untereinander wieder zu ermöglichen und den PAM zu normalisieren. Es gibt auch Methoden, bei denen die
Therapeuten die PAM direkt beeinflussen, oder sich diesen (dazu sind 2 Therapeuten beim Pferd notwendig) zwischen Schädel und Kreuzbein hin und her zu schieben und somit das System in Fluss zu
bringen.
Da der PAM in jeder Zelle und im gesamten Pferd fühlbar ist, kann dieser Puls auch für die Diagnostik genutzt werden, wenn der achtsame Therapeut diesen über seine Hände und Wahrnehmung erspürt.
Vorbermerkung von Thies Böttcher: Wenn man ein Pferd am Schädel behandelt, merkt und sieht man sehr gut die positiven Reaktionen des Pferdes und ein "freies" Genick macht für ein Reitpferd
einen enormen Unterschied- im Gefühl des Reitens als auch im sichtbaren Gangbild. Die Nachhaltigkeit hängt aber von so vielen DIngen ab, dass eine Bewertung hier mehr als schwer ist. Die
Reitweise oder die Haltungsform kann jede positive Veränderung schnell wieder zunichte machen. Dies allerdings gilt für jede therapeutische Anwendung.
Die Hauptfrage ist also eher, über welche Wirkprinzipien die Effekte erzielt werden. Jeder Behandlung beinhaltet auch die Arbeit an Muskeln/ Faszien und am Nervensystem. So ist es
möglich, dass die craniosacrale Behandlung "funktioniert", jedoch der Grundgedanke dahinter nicht stimmig sein muss. Genau dies ist eines der Kernprobleme. Weiterhin kann ich nicht abschätzen,
wie wirksam diese Methode ist, da ich sie nie alleine anwende. Sie ist immer nur ein kleiner Teil innerhalb einer Strategie.
Nach heutigem Wissensstand sind die Bewegungen zwischen den einzelnen Schädelknochen so gering, dass ein Erfühlen gar nicht möglich ist. Auf der anderen Seite weiß man, dass man Bewegungen fühlen
kann, die man sich vorstellt. Es ist also möglich, sich den PAM vorzustellen und auch zu fühlen, obwohl er gar nicht da ist. Dies kann man sogar mit einem Luftballon oder einem Buch ausprobieren.
Versuche mit mehreren Therapeuten ergaben, dass jeder den Puls bei dem gleichen "Testpatienten" fühlen konnte - > aber jeder zu einem anderen Zeitpunkt und in einem anderen Takt.
Die Bewegung des Liquor konnte mit modernen Messmethoden im Hirn nachgewiesen werden, allerdings orientiert er sich am Puls des Herzens und nicht an einem anderen Rhythmus, der auch einen anderen
Takt hat. Dieser konnte meines Wissens mit allen zur Verfügung stehenden Messmethoden nicht gefunden werden. Die "Beweislage" für den PAM als wichtige Grundlage für die craniosacrale Therapie
sieht also eher dünn aus.
Diesen Punkt hatten wir bereits angesprochen. Die meisten Fortbildungenim Bereich der craniosacralen Therapie gehen über 2 Wochenenden, also 4 Tage. Wenn wir uns nun vorstellen, dass die
"PAM"-Theorie funktioniert und man diesen fühlen lernen soll, so ist glaube ich mehr als klar, dass dies in der Kürze der Zeit nicht zu schaffen ist. Humantherapeuten berichten durchweg, dass sie
Monate oder noch länger im Zuge der osteopathischen Ausbildung benötigen, um dieses Gefühl zu entwickeln.
Einzig das Upledger-Institut bietet eine Pferdefortbildung an, die sich insgesamt auf 14 Tage erstreckt.
Wir selbst gehen zur Zeit eher von anderen Wirkungsweisen aus, zum Beispiel der Effekt aufs das autonome Nervensystem und die mitbehandelten myomuskulären Strukturen. Entsprechend arbeiten wir auch ohne den Ansatz der direkten "PAM-Beeinflussung. Der Schädel ist Teil des gesamten Körpers und somit wichtiger Teil einer Behandlung. Wir sind neugierig, was die Forschung die nächsten Jahre zutage fördert.